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Schlitteln in der Schweiz

Was hat Schlitteln und Integration gemeinsam?


„Sollen wir Freitagabend nach Bergün schlitteln? Es ist die längste Strecke der Schweiz.“

Warum fragte er mich solche Sachen? Vor 30 Jahren wusste ich nicht wo Bergün ist und ich habe noch nie einen Schlitten gesehen. Einmal bin ich, als es 10 cm Schnee hatte auf einem 50 Meter hohen Hügel auf einem Abfallsack hinunter gerutscht –das hat mega Spass gemacht!

Er redet ungeniert weiter „ wir könnten nach Steg, FL gehen, aber die Schlittelpiste ist kürzer und wir müssen immer wieder hinauf laufen. In Bergün können wir mit dem Zug fahren.“

Kein mühsamer Aufstieg –gekauft! Das erklärt meine dumme Antwort: „Warum nicht.“

Die kurvige Zugfahrt in der Nacht durch den verschneiten Wald mit Viadukten und Tunnels hat mich verzaubert.

„Wir hätten auch in die Fideriser Heuberge gehen können, aber das ist dort wo mein Bruder mit dem Bus von der Fahrbahn abgekommen ist. Aber in Bergün kann das nicht passieren, bei den gefährlichen Kurven haben sie Holzwände zur Sicherheit gebaut.“

Huh? Gefährlich? - Das hat er bis jetzt verschwiegen.

Die Durchsage: „Bitte Aussteigen“ hat mich für den Moment abgelenkt.


Wir haben zwei „Davoser Schlitten“ gemietet. Wissen Sie nicht was das ist?  Ich auch nicht, das sind Schlitten aus hartem Holz, kein Polster, Lenkrad oder Bremsen.

Wir sind ein paar Meter gelaufen. Mein Mann sass auf dem Holzsitz, ein Bein links, ein Bein rechts.   Er sagte kurz und bestimmt: „Drückst du mit dem linken Fuss dann fährst du nach rechts, drückst du mit dem rechten Fuss fährst du nach links, wenn du bremsen willst, musst du mit beiden Füssen gleichzeitig drücken.“
 
Bevor ich irgendetwas fragen konnte, war er schon losgefahren.
„Wohin gehe ich?“ schrie ich ihm nach.
„Einfach der Strasse entlang“ und weg war er.
 
Ohne Furcht (noch nicht) fuhr ich los.  Dann kam die erste Rechtskurve. Ich drückte mit dem linken Fuss und bin voll in die Wand gefahren und vom Schlitten gefallen. Der Schlitten hat seine Fahrt fortgesetzt - ohne mich. Ich rutsche auf der Eisbahn, hauptsächlich auf meinem Hinterteil hinterher, bis wir wieder ein Paar waren. Mein Mut hat mich verlassen.
 
Trotzdem stieg ich wieder auf. Los, Herzklopfen. Ich war viel zu schnell. Ich bremste mit beiden Füssen. Wie eine Primaballerina habe ich mehrere Pirouetten gemacht, vielleicht nicht ganz so elegant. Noch einmal traf ich die blöde Wand.
 
Warum nennen Schweizer diesen masochistischen Sport Spass? Als ich wieder aufsteigen wollte, fuhr ein Schlitten neben mir und überholte mich. Lange graue Zöpfe flogen durch die Luft, die Frau lächelte mich an mit Falten so tief wie der Grand Canyon. Damals war ich 27 Jahren alt - Ich musste mich von einer Seniorin geschlagen geben. Hah!

Ich entschloss mich den ganzen Weg meine Füsse so wenig wie möglich zu brauchen und raste hinunter. Irgendwie bin dann ich 30 Minuten später unten angekommen.

Mein Mann wartete (wie immer) „Wo bist du so lange gewesen?“

Ich erzählte von meinen „Crashtests“ und meiner neuen Allergie auf Holzwände.

„Warum hast du den Schlitten nicht einfach vorne hoch gehoben um zu bremsen?“
„Wieso hast du mir das nicht am Anfang gesagt?“
„Weil man das einfach weiss.“
Wie ich diesen Satz hasse!

Wenn wir etwas Neues oder Unbekanntes machen, habe ich eine andere Lösung gefunden: Ich nehme einen Kurs bei einem Fremden.
Aber ich habe etwas gelernt: Schlitteln ist wie Integration. Wir Zugezogenen fangen enthusiastisch an. Wenn wir in Bewegung sind, fühlt es sich super an. Wir sind erfolgreich, aber dann kommt die erste falsche Bewegung und wir treffen auf eine Wand – Holz oder etwas Anderes. Wir rutschen, finden den Weg nicht sofort.

Wie ein Japanische Sprichwort sagt, „Stürzen Sie sieben Mal, stehen Sie acht Mal auf.“

Aber wenn wir den Mut zusammen bringen, wieder auf den Schlitten aufzusteigen und loszufahren, werden wir irgendwann am Ziel ankommen. Vielleicht nicht sofort. Aber „Yes you can.! Wir, die Very Integrated Persons sind für Sie da.  Und wer weiss? Vielleicht werden auch Sie den Berg hinunter rasen und merken, ich habe es geschafft und es macht sogar riesigen Spass. Schlitteln und „bei üs zu leben“.


Denken Sie an das, was Valerie Burton sagte,
 “ Wenn Sie an die Wand von Widrigkeiten geworfen werden, können Sie entweder ein Tennisball oder ein Ei sein.“
Lassen wir uns Tennisballen sein!

© Copyright Vicki Gabathuler 2017
 

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